Denis Erbil

Streetfishing: Die Reize des Angelns im urbanen Raum

von Norbert Novak

Denis Erbil, Florian Wurzer und David Joos. Diese drei Angler leben für das Streetfishing. Was ihre Passion ausmacht und warum dieser Angelstyle gut ist.

Streetfishing durchzieht in regelmäßigen Intervallen sogar Boulevardmedien. Das Angeln zwischen Straßen, Brücken und pulsierendem Großstadtleben hat zweifelsohne seine Reize. Aber auch Fachmedien berichten gerne über dieses Genre. Wir haben drei eingefleischte Streetfischer zu Kurz-Interviews gebeten. Einerseits den Wahl-Hamburger Denis Erbil – in sozialen Medien als „Petritürk“ umtriebig – und andererseits Florian Wurzer, der in Wien lebt und seine Rute schwingt. Sowie David Joos, der in Linz (Österreich) wohnt und angelt.

Denis Erbil mit leichter Ausrüstung in Istanbul. (Foto: Denis Erbil)

Denis Erbil – Streetfishing in Hamburg

Denis, Du hast ja Wurzeln in der Türkei. Gibt es eigentlich Unterschiede zwischen muslimischen und christlichen Anglern?

Ich selber bin gebürtiger Hamburger, mütterlicherseits Berliner Wurzeln und väterlicherseits türkisch-anatolische. Mein Vater musste in den Achtzigern aus der Türkei fliehen, als es zum Militärputsch kam. Ich selber bin der Meinung, dass es keinen Unterschied zwischen muslimischen und christlichen Anglern gibt, da es immer um das Gleiche geht – nämlich, den Fisch ans Band zu bekommen. Was mir auch sehr oft aufgefallen ist, dass Angeln verbindet. Egal welcher Nationalität man angehört, welchen Glauben man hat; wenn es um das Thema Angeln geht, ist man schnell auf einem Nenner.

Siehst Du Dich als reinen Streetfischer oder übst Du auch noch andere Angelstyles aus?

Ich liebe das Streetfishing, es ist sehr umfangreich und beherbergt wirklich viele Überraschungen. Die Spots sind kleine Abenteuer, an die man erst mal rankommen muss. Klettern, bücken und kriechen, alles gehört dazu. Gerade deshalb sollte man immer ein gut angepasstes Equipment bei sich haben, das einem erlaubt, auch solch sportliche Akte betreiben zu können. Ich gehe aber auch gern an Naturseen oder auch mal an Forellenteichen angeln. Abwechslung ist bei mir immer willkommen!

Als Streetfischer wird man häufig von Passanten angesprochen? Wie ist das Echo da im Allgemeinen?

Es ist immer wieder witzig und auch schön, die Faszination einiger Passanten zu sehen, wenn man einen guten Barsch oder einen Zander vor ihren Augen heraus zaubert. Danach wird das Gewässer meistens mit anderen Augen gesehen. Den meisten Passanten ist es gar nicht bewusst, was für wunderschöne Tiere in den Kanälen schwimmen.

Du bist Student der Naturheilkunde. Isst Du auch den einen oder anderen selbst gefangenen Fisch aus urbanen Gewässern?

Ja, es stimmt, ich bin angehender Naturheilkundler. Da ist es mir sehr wichtig darauf zu achten, was bei uns zu Hause auf den Tisch kommt. Ich bin prinzipiell ein Verfechter von Catch & Release, doch ab und an kommt auch mal ein maßiger Zander auf den Teller. Dabei achte ich natürlich darauf, an welchem Spot ich den Fisch gefangen habe und wie vermüllt es dort ist. Leider vergessen viele Menschen, dass sie mit ihrem Müll dem Gewässer schaden und wie lange es dauert, bis die Natures schafft, Tüten, Plastikbehälter & Co. wieder „abzubauen“. In der Stadt würde ich niemals einen Fisch mitnehmen, da man auch schon beim Angeln direkt beobachten kann, wie leichtsinnig einige Passanten mit ihrem Müll, ihrem Essen und ihren Getränken umgehen. Meistens schmeißen sie diese einfach ins Wasser. Darunter leidet natürlich auch die Gewässerqualität, was ich als Naturfreund und Angler nicht gutheißen kann. Daher mein Appell an alle: Haltet eure Spots sauber und versucht, ein gutes Vorbild zu sein, damit wir das Erbe des Angelns auch an unsere nächste Generation weitergeben können.

Kannst Du den Straßenlärm beim Angeln ausblenden?

Natürlich ist es nicht schön, wenn man zu viel von dem Lärm ertragen muss, doch ich muss sagen, dass ich mich bislang nicht sehr gestört gefühlt habe. Es gibt natürlich auch Möglichkeiten, seinen Kopfhörer in die Ohren zu packen und dann die Außenkulisse verschwinden zu lassen, das passiert aber sehr, sehr selten, da ich meist viel zu vertieft beim Angeln bin.

Wie gelangst Du zu Deinen Revieren?

Die meisten meiner Spots erreiche ich mit dem Auto – doch ganz reicht es meistens nicht. Man parkt das Fahrzeug und muss dann noch ein paar hundert Meter zu seinen Spots gehen, was ja nicht schlimm ist. In Istanbul kam es wirklich dazu, dass ich mit der Tram dann doch zum ersten Mal an den Spot direkt gefahren wurde, was aber wirklich sehr unangenehm war, da es sehr eng und voll wurde und ich auf meine Rute aufpassen musste, damit diese keinen Schaden leidet.

Florian Wurzer mit einem gewichtigen Graffiti-Karpfen
Florian Wurzer mit einem gewichtigen Graffiti-Karpfen. (Foto: Florian Wurzer)

Florian Wurzer – Wiener Fischerstyle

Florian, siehst Du Dich als reinen Streetfischer oder übst Du auch noch andere Angelstyles aus?

Egal ob fließend oder stehend, groß oder klein – jedes Gewässer hat einen gewissen Reiz für mich. Ob wir dann auf dem Land oder in der Stadt sind, ist dabei Nebensache. Genauso sind meine Angelstyles unterschiedlich bzw. an die gegebene Situation angepasst.

Worin besteht eigentlich der Unterschied zwischen Street- und Urbanfishing?

Streetfishing hat nicht unbedingt etwas mit einem urbanen Umfeld zu tun. Viel mehr ist Streetfishing für mich das Gegenstück zur üblichen Ansitzangelei. Hierbei versucht man, aktiv Fische zu suchen, auf Möglichkeiten zu reagieren und sich der gegebenen Situation anzupassen. Sogenanntes „opportunistisches“ Angeln. Urbanfishing hingegen ist an die Stadt gebunden, beschreibt jedoch keinen bestimmten Angelstyle sondern hier geht es mehr um die Örtlichkeit.

Wie ist das Echo von Passanten?

Zu 90 Prozent bekomme ich positives Feedback. Wenn Kinder vor Ort sind, versuche ich sie meist zu involvieren, um ihnen die Natur etwas näher zu bringen. Ich zeige ihnen die gefangenen Fische und den schonenden Umgang mit ihnen. Sie dürfen, wenn sie sich trauen, die Fische angreifen und zusehen, wie sie behutsam in das Gewässer rückgeführt werden. Die anderen zehn Prozent verstehen die Sinnhaftigkeit meines Hobbys nicht. Manche kann man mit etwas Freundlichkeit und einem sachlichen Gespräch besänftigen. Doch schon oft wurde ich beschimpft, der Tierquälerei bezichtigt und sogar die Polizei gerufen.

Wie erreichst Du Deine Reviere?

Da mein Auto wie ein Angelgeschäft auf vier Rädern ist und ich meist alles mitführe, um auf jede Situation reagieren zu können, fahre ich in erster Linie mit dem Auto zu meinen Gewässern. Dort wird dann entsprechend der Situation gepackt. Entweder marschiere ich dann zu Fuß mit einem Leiterwagerl oder oft mit leichtem Gepäck und dem Scooter, um schnell und mobil zu sein.

Hast Du schon mal in anderen Städten gefischt?Etwa im Central Park in New York statt im Wiener Donaupark?

Im Laufe meines Anglerlebens konnte ich schon in einigen Ländern meine Erfahrungen machen. Von kleinen Parkteichen in Essex bis zum großen Skadar See in Montenegro war schon einiges dabei. Über den großen Teich zu reisen war schon sehr lange ein Plan von mir, jedoch aufgrund der Covid-Situation liegt der Fokus auf unseren heimischen Gewässern. Wovon wir ja gottseidank einige haben.

David Joos beim nächtlichen Spinnfischen an der Donau bei Linz. (Foto: David Joos)

David Joos – urbanes Fischen in Linz

David, wo siehst Du die Abgrenzung zwischen Street- und Urbanfishing?

Das Streetfishing findet seine Ursprünge meiner Meinung nach in Amsterdam und Hamburg. Die Jungs dort sind mit leichtem Gepäck in den Grachten, Kanälen und Häfen der Großstadt unterwegs. Zwischen Autos, Schiffen, Touristen und Sehenswürdigkeiten stellen sie Barschen, Zandern und Hechten nach. Ein Trend, der sich auch auf große Teile Deutschlands und Österreichs ausgeweitet hat. Urbanfishing ist für mich mehr als das. Es ist mehr eine Einstellung als Praxis. Im städtischen Raum mit modernen Methoden zu angeln. Dabei mehr Wert auf Nachhaltigkeit zu legen– Stichwort Catch & Release – und sich den Herausforderungen von großteils regulierten Gewässern im urbanen Raum zu stellen.

Du bist rund 120 Tage pro Jahr am Wasser. Viele Tage davon als „Streetfischer“?

Ich verbringe 80 Prozent meiner Angelzeit im urbanen Raum. Ob man es nun Street- oder Urbanfishing nennen will, bleibt jedem selbst überlassen.

Was sagen Passanten im Allgemeinen zu Dir?

Das Echo von Passanten ist durchwegs positiv. Klar, es gibt immer Ausnahmen und manche Leute haben generell ein Problem damit. Aber der Großteil ist interessiert, möchte mehr wissen und immer wieder sind Passanten auch verwundert, dass es in der Donau doch tatsächlich Fische gibt.

Wie ist das Feeling, beim Fischen Hochöfen des Stahlkonzerns VOEST im Rücken zu haben?

Es ist ein tolles Gefühl mit ganz eigenem Flair. So ein Schlackenkippen, das den ganzen Nachthimmel erhellt, hat schon was. Außerdem ist eine Industrie am Wasser, so künstlich geschaffen der Fluss dort auch ist, immer auch ein Garant für echte Hotspots im sonst monotonen Flusslauf. Warmwassereinläufe und Erzschlepper haben mir schon so manchen guten Zander beschert. Manchmal ist mir also ein hell erleuchteter Hochofen fast schon lieber als ein Sternenhimmel.

Isst Du Deine Fische auch?

Ja, natürlich esse ich meine Fische auch gelegentlich. Vor allem da meine Kinder ganz heiß auf gebackenen Zander sind. Allerdings habe ich für mich selbst ein Entnahmefenster festgelegt, in welchem ich Fische in geringen Mengen entnehme.

Gibt es auch Nachwuchsfischer, die Streetfishing „cool“ finden?

Es ist definitiv ein Trend, auch bei den ganz Jungen. Das moderne Spinnfischen ist cooler den je. Was ich denke, auch durch Social-Media und Formate wie etwa dem YoutubePredator Cup und diversen Video-Blogs geschuldet ist. Das wirklich Schöne an der ganzen Sache Streetfishing ist, dass es ein klares Umdenken gibt. Die Jungangler achten viel mehr auf Nachhaltigkeit als Generationen vorher. Leider werden die Fische in unseren ohnehin schon belasteten Gewässern in einem höheren Maß entnommen, als neuer Bestand nachkommt. Gerade bei den Zanderbeständen in der Donau spürt man das deutlich. Ein Angler vom „alten Schlag“ überlegt natürlich keine Sekunde, einen kapitalen Zander mit nach Hause zunehmen und zu verarbeiten. Was natürlich auch nicht verwerflich ist, aber im Gegenzug wird der Aufschrei jedes Jahr größer, dass die Durchschnittsgrößen sinken und keine „Guten“ mehr gefangen werden. Dieses Umdenken auf mehr Nachhaltigkeit, zukunftsorientiert und wieder mehr im Einklang mit dem Ökosystem ist für mich die wahre Definition von Street-/Urbanfishing. Eine neue, moderne Art des Angelns.

Schau dir auch unsere Beiträge über Angel-Influencer, die Welt der Angelmarken und die Möglichkeiten für Jungangler in Österreich an.


Titelfoto: Denis Erbil

WILLST DU NOCH MEHR GEWÄSSER?

Wir haben für dich über 100 spannende Gewässer in Österreich, Deutschland und den Nachbarländern im Fisch Ahoi Revierguide zusammengestellt.

Du bekommst den Revierguide nach Absenden des Formulars automatisch an deine E-Mail-Adresse zugeschickt. Solltest du kein E-Mail erhalten, bitte prüfe deinen Spam-Ordner. Eingangs ist das Klicken eines Aktivierungs-Links notwendig, um dich in unseren Verteiler aufzunehmen Du kannst den Fisch Ahoi Newsletter jederzeit abbestellen, wenn er dir nicht gefällt. Sollte etwas nicht klappen, schreib uns!