Wanderverhalten von Fischen

Wie trackt man das Wanderverhalten von Fischen?

von Redaktion

Warum verspüren Fische einen Bewegungsdrang? Wieso wandern sie heute nicht mehr so wie früher? Und welche Methoden verwenden Forscher, um das Wanderverhalten von Fischen zu tracken? Eine „Wanderlyse“ von Daniel Hayes.

So ähnlich wie wir Menschen zwischen Wohnort, Arbeitsplatz und Supermarkt hin- und herpendeln, so drehen auch Fische in den Gewässern ihre Runden. Mal sind es kleinere Runden, mal größere. Und je nach Art ist ein Fisch mehr oder weniger standorttreu an einen Platz gebunden.

Vermehrungsdrang als Wanderimpuls

Das wohl auffälligste Wanderverhalten von Fischen, welches vielen Anglern bekannt ist, ist jenes der Laichwanderung, insbesondere von großwüchsigen Langstreckenwanderern. Der Atlantische Lachs ist hierfür ein Paradebeispiel. Als sogenannte „anadrome“ Art migriert er zur Vermehrung vom Meer die Flüsse hinauf, oftmals mehrere tausend Kilometer weit. Im Falle des Aales, einer „katadromen“ Art, läuft die Laichwanderung in entgegengesetzter Richtung der des Laches – stromab.

Der Großteil der mitteleuropäischen Fischfauna ist allerdings „potamadrom“, das heißt, deren Wanderung beschränkt sich ausschließlich auf das Süßwasser. Was aber nicht bedeutet, dass diese Migrationen wenig spektakulär ausfallen müssen. Für die Seeforelle des Bodensees sind etwa rekordverdächtige Wanderdistanzen von bis zu 100 Kilometer zu den Laichplätzen im Vorder- und Hinterrhein dokumentiert. Für die Nase oder Barbe in der Donau geht man von Laichzugdistanzen zwischen 30 und 300 Kilometeraus. Fische der Flussauen zeigen hingegen ein gänzlich anderes Bewegungsmuster als diejenigen, die nur im Strom selbst migrieren. Intakte Flussauen-Ökosysteme sind von regelmäßigen Überschwemmungen gekennzeichnet. Finden diese im Frühjahr bzw. Frühsommer statt, nutzen Arten wie die Güster die überfluteten Bereiche zur Eiablage. Und warme Flachwasserbereiche fördern die Entwicklung von Laich und Larven. Ähnliches ist auch vom Hecht bekannt. Sobald das Eis von der Seeoberfläche geschmolzen ist, zieht der „Wolf der Unterwasserwelt“ in seichte, sich erwärmende Uferzonen.

Perlfisch mit Telemetrie-Sender. (Foto: Kurt Pinter)

Was rauf kommt, muss wieder herunter

Die Wanderung stromab hat man in der Vergangenheit eher stiefmütterlich betrachtet. Nun aber beforscht man sie recht intensiv. Denn alle Fische, die zum Vermehrungsakt stromauf geschwommen sind, wollen prinzipiell wieder stromab schwimmen. Aber auch Larven und Jungfische wollen in diese Richtung migrieren. Der oben erwähnte Lachs etwa. Als sogenannter „Smolt“ wandert er aus den Flüssen ins Meer ab, wo er ein reichliches Nahrungsangebot findet und schnell abwächst. Als laichreifer Fisch kehrt er wieder zur Vermehrung in die Flüsse zurück. Andere Fischarten, wie etwa die Nase, driften im Larvenstadium mit der fließenden Welle, um stromab liegende Lebensräume zu besiedeln. Der Aal hingegen bewegt sich in entgegengesetzter Richtung. Die jungen Glasaale verdriften mit dem Golfstrom aus der Sargassosee Richtung europäischem Festland, von wo sie dann die Flüsse hinaufziehen.

Doch Fische bewegen sich auch abseits von Wanderungen rund um die Vermehrung – mitunter sogar sehr intensiv. Fische wechseln ihren Standort etwa zur Futtersuche, bei der Flucht vor einem Räuber, oder zum Aufsuchen von geeigneteren Lebensräumen, welche dem respektiven Altersstadium entsprechen (z.B. Jungfische in der geschützten Uferzone, Adulttiere im tiefen Wasser). Oder für den Wechsel zwischen Tag- und Nacht- sowie Sommer- und Winterhabitaten. All diese Möglichkeiten stellt ein verbundenes Gewässersystem mit unterschiedlichsten Lebensräumen bereit.

Lebensraum-Lockdown

Wasserkraftwerke, Sohlschwellen, Rampen, Uferbegleitdämme und andere Bauwerke sind in Bezug auf ihre Auswirkungen auf die Fische mit den Effekten von Covid-Maßnahmen und Lockdowns auf die Einschränkung unseres Reiseverhaltens zu vergleichen. Für die aquatische Welt stellen solche Hindernisse, die leider zu Hauf in unseren Gewässern vorkommen, ein erhebliches Problem für das Wanderverhalten von Fischen und Überleben vieler Flossenträger dar (siehe auch unseren Artikel zum Thema Umweltschutz: Gesetze schützen Wasser). So versperren solche Bauwerke etwa Zugänge zu Laichplätzen oder erlauben, dass Fischprädatoren die Fische leichter in die Enge treiben können.

Fisch-Tracking mittels Chip-Implantaten

Aus Sicht der Forschung ist die Untersuchung vom Fischwanderverhalten jedenfalls von großer Bedeutung. Denn Erkenntnisse aus solchen Projekten können wichtige Informationen zum Verhalten von Flossenträgern liefern, welche für die Sanierung von Hindernissen sowie zur Wirkungskontrolle von gesetzten Öffnungsmaßnahmen beitragen. Hierfür gibt es in der angewandten Fischökologie eine Reihe von Methoden, die für verschiedene Fragestellungen verwendet werden können. Grundsätzlich wird zwischen Ansätzen unterschieden, wo ein Fisch dann erkannt wird, wenn er an einem fix definierten Standort vorbei schwimmt, sowie von denen, wo der exakte Standort des im Gewässer frei schwimmenden Fisches ausgemacht werden kann.

Erstere Methoden beinhalten z.B. Reusen- oder Hameninstallationen zur Zählung und Artbestimmung wandernder Fische. Hierbei müssen die Zählstationen per Hand geleert und die Fische protokolliert werden. Eine Alternative dazu ist, Fische mittels individueller Tags zu markieren. Diese Tags, welche oftmals nur ein bis zwei Zentimeter groß sind, kommen der Funktionsweise unserer Plastikkarten-RFID-Chips gleich. Die „Überwachung“ des Wanderverhaltens von Fischen erfolgt mittels speziell konstruierter Antennen, welche die vorbeischwimmenden Fische automatisiert und kontaktlos registrieren. Solche Tagging-Methoden werden häufig bei Studien zur Aufwanderung verwendet (Stichwort: Einstiege bei Fischtreppen oder Passagezeit).

Kamera erkennt Schuppenbild

Inzwischen haben sich auch Videotechnologien mit automatischer Datenverarbeitung am Markt etabliert. Teilweise können hiermit sogar einzelne Individuen in Fischwanderhilfen über mehrere Jahre an ihrem Schuppenbild wiedererkannt werden. Diese Ansätze haben den Vorteil, dass man viele Fische über längere Zeiträume dokumentieren kann. Der Nachteil, dass nur Schlussfolgerungen über die Organismen betreffend der fixierten Überwachungsstation getroffen werden können, liegt auf der Hand. Hier setzen aktive Ansätze wie die Telemetriemethode an.

Eine unter Wasser montierte Videokamera mit automatischer Datenverarbeitung zählt und erkennt flussauf und flussab schwimmende Fische. (Foto: Kristof Reuther)

Fische mit Sender

Bei der Telemetrie wird den Fischen mittels chirurgischen Eingriffes ein Sender implantiert, der ein aktives Signal sendet, welches von einer Empfangsstation gelesen werden kann. Dadurch ist eine Ortung jedes Individuums mit Sender jederzeit möglich. Solche Ansätze liefern etwa wertvolle Informationen zum Wanderverhalten von Fischen und zur Habitatnutzung (bis zu 3D-Auflösung möglich) oder helfen, die Turbinenmortalität absteigender Fische zu erfassen. Wer sehen möchte, wie hochauflösend solche Daten sein können, suche im Internet nach „Wie verhalten sich Fischartengemeinschaften in einem natürlichen See?“. Eine Kuriosität am Rande: Senderfunde von passiven Chips und aktiven Transpondern unter Kormoran-Schlafbäumen erlauben auch Schlussfolgerungen auf Fressgewohnheiten der schwarzen Vögel. Vom menschlichen Verzehr dieser Prädatoren sei dennoch abzuraten.

Lasst die Fische ziehen!

Für uns Angler sind die Ergebnisse aus Fisch-Tracking Studien insofern von Bedeutung, als sie uns einerseits grundlegende Informationen zum Fischverhalten und der Lebensraumwahl liefern können. Das Wissen, wo sich die Schuppenträger zu welcher Tages- und Jahreszeit aufhalten, kann so manchen Schneidertag in einen unvergesslichen Augenblick wandeln. Andererseits dienen Erkenntnisse aus Tracking-Projekten dazu, Politik, Kraftwerksbetreiber und Entscheidungsträger zu verbesserten Maßnahmen zu drängen, die wiederum autochthone Fischpopulationen stärken, indem diese ihre Wanderlust wieder entdecken dürfen.


Titelfoto: Mit Hilfe einer Absperrung über die gesamte Flussbreite werden die Fische in die Zählreuse gelotst. (Foto: Kristof Reuther)