Unsere Seen, Fließgewässer und Teiche sind einer Unzahl an menschlichen Einflüssen ausgesetzt. Wie ist es um die jeweiligen Fischbestände bestellt?
Früher war alles besser. Diesen Sager hört man des Öfteren, wenn man mit älteren Fischern redet. Aussagen wie die folgenden untermauern dies noch sehr eindrucksvoll: „Hab ich bei einem Wurf einen Hecht verloren, biss beim Einholen ziemlich sicher noch ein zweiter“ oder „An einem durchschnittlichen Novembertag an einem guten Donaurevier war es durchaus Usus, dass man einige Zander mit 70plus an den Haken bekam.“ Heute dominiert bis auf wenige Ausnahmen das große Jammern. „Es gibt einfach keine Fische mehr“, geht nicht selten einem Petrijünger über die Lippen. Nun, stimmt das wirklich?
Generell lässt sich nicht sagen, dass alles schlechter wird. Zu sehr schlägt bei vielen Menschen einfach die ostösterreichische Mentalität durch, Dinge negativ zu sehen und schlecht zu reden. Dröseln wir vielleicht die einzelnen Gewässertypen in Österreich etwas auf und betrachten diese separat. Denn Seen, Teiche und Fließgewässer lassen sich einfach nicht in einen Topf werfen und haben sich in den letzten Jahrzehnten durchaus verschiedenartig entwickelt.
Gute Situation bei Seen
Beginnen wir bei unseren Seen. In Österreich gibt es knapp über 40 natürliche Seen, die eine Fläche größer als 50 Hektar aufweisen. Die Palette reicht vom trüben Steppensee der Niederungen (z. B. Neusiedler See) bis hin zum kristallklaren Alpensee in hoher Lage (z. B. Vilsalpsee). Ein Großteil der Seen weist laut Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus (BMNT) einen „sehr guten“ (16 Prozent) oder „guten“ (32 Prozent) ökologischen Zustand auf. In dieser Bewertung spielen neben vielen abiotischen (= „nichtlebenden“) Parametern wie chemische oder physikalische Kennwerte natürlich auch die Fische eine wichtige Rolle. Insbesondere das Vorkommen sogenannter Leitfische – also Fischarten, die für einen bestimmten Seentyp charakteristisch sind – hat Einfluss auf das „Ranking“ eines Sees. Fehlt beispielsweise die Elritze in einem typischen Elritzensee, kostet diesem See dieser Umstand quasi Punkte.
Das Auf und Ab hinsichtlich Fischbestand ist prinzipiell in Seen normal. Bedingt durch Klimaschwankungen, unterschiedliches Nahrungsangebot und natürlich auch durch den Einfluss des Menschen. Insbesondere sind hier Besatzmaßnahmen angesprochen, die sich sowohl positiv als auch negativ auf die Bestandsdichte auswirken können. Ein starkes Plus beim Fischbestand bedingt häufig eine Abflachung der Wachstumskurve. Sprich, die Fische werden sukzessive kleiner. „Aus fischereilicher Sicht ist daher eine stärkere Entnahme bestimmter Altersklassen durchaus wünschenswert, um die Wachstumskurve wieder steiler zu machen“, betont Andreas Haas, Leiter des Geschäftsfelds Fischerei bei den Österreichischen Bundesforsten (ÖBf). Ein derartiger Aufruf zur Entnahme in Fischereikreisen hat ja durchaus Seltenheitswert. Ist aber fischereiwirtschaftlich nachvollziehbar. Um welche Fischarten geht es hier eigentlich?
Primär sind hier die Reinanken gemeint (auch Renken, Maränen, Riedlinge oder Felchen genannt). Laut den ÖBf ist der Bestand an Reinanken in einigen Salzkammergutseen in den letzten Jahren regelrecht explodiert. Etwa der Hallstätter See ist in diesem Konnex ein ziemlicher Spitzenreiter.
Untersucht werden Seen hinsichtlich Fischbestand übrigens meist mit Hilfe von diversen Netzen oder professionellen Echoloten. Seit kurzem wird im Rahmen eines EU-Förderprojekts auch die Effektivität des sogenannten Ringwadennetzes untersucht. Dieser Netztyp hat den großen Vorteil, dass die Fische im Gegensatz zu Kiemennetzen nicht zu Schaden kommen und daher wieder freigelassen werden können. Projektleiter Harald Ficker schildert begeistert: „Unser erster Netzzug mit der Ringwade am Hallstätter See brachte uns exakt 640 Reinanken. Alle munter und wohlauf.“ Es ist sehr wahrscheinlich, dass dieser normalerweise nur in marinen Gefilden verbreitete Netztyp in Zukunft auch mehr in österreichischen Seen zum Einsatz kommt. Fische dürfte es da noch genug zu fangen geben
Fließgewässer mit vielen Defiziten
Nicht ganz so rosig wie bei unseren Seen schaut es hingegen bei unseren Fließgewässern aus. In Österreich gibt es fast 2.200 Fließgewässer, deren Einzugsgebiet größer als zehn Quadratkilometer ist. Die Länge beträgt in Summe rund 33.000 Kilometer. 15 Prozent der Fließgewässer befinden sich laut BMNT in einem „sehr guten“ und 22 Prozent in einem „guten“ ökologischen Zustand. Knapp ein Drittel der Gewässer sind als „mäßig“ anzusprechen, 17 Prozent als „unbefriedigend“ oder „schlecht“. Ursachen für das doch eher mäßige Abschneiden unserer Fließgewässer sind vor allem Verbauungen, Kraftwerke, Wasserentnahmen und viele andere menschliche Einflüsse. Aber auch die Fischerei darf hier nicht völlig ungeschoren davonkommen. Besatzmaßnahmen über viele Jahrzehnte haben Artenzusammensetzungen völlig durcheinandergebracht, genetische Spezifika verändert und Krankheiten wie PKD in unseren Gewässern verbreitet.
Generell quantifizieren lässt sich die Entwicklung der österreichischen Fischbestände sehr schwer. Zu spezifisch und einzigartig ist jede Bach- oder Flussstrecke. Von EU-Seite sind aber regelmäßige Untersuchungen des ökologischen Zustands von Gewässern vorgeschrieben. Die sogenannten GZÜV-Befischungen (Gewässerzustandsüberwachungsverordnung) geben Aufschluss über den fischökologischen Zustand an aktuell 100 Messstellen an ausgewählten Fließgewässern. „In einem Zeitraster von drei Jahren wird mit Hilfe von Elektrobefischungen eine mehr oder weniger punktuelle Aufnahme des Fischbestands untersucht“, erläutert Karin Deutsch, ihres Zeichens verantwortlich für das GZÜV-Monitoring im BMNT. „Für die Durchführung dieser Befischungen beauftragen wir meist einschlägige, technische Büros“, ergänzt Franz Wagner, enger Mitarbeiter von Karin Deutsch und selbst begeisterter Angelfischer.
Gründer und Geschäftsführer eines solchen Büros ist Clemens Gumpinger. Er betreibt das Büro blattfisch in Oberösterreich. „Professionell durchgeführte Elektrobefischungen sind sehr arbeitsaufwändig und dementsprechend nicht gerade günstig. Regelmäßig durchgeführt geben sie aber guten Aufschluss über den fischökologischen Zustand eines Gewässerabschnitts“, so Gumpinger. Auf die Frage nach der Entwicklung der Fischbestände lässt er sich natürlich keine generelle Analyse entlocken. Meint jedoch: „An einigen großen Voralpenflüssen wie der Traun oder der Steyr geht es in den letzten Jahren fischmäßig ziemlich bergab. An der Ybbs beispielsweise gibt es seit einiger Zeit kaum mehr Bachforellen.“ Die Ursachen dafür sind häufig multifaktoriell und im individuellen Fall zu untersuchen. Klar ist jedenfalls, dass falsche Besatzpolitik auch ein gehöriges Schäufelchen zum Niedergang der Fischbestände beiträgt. „Im Zweifelsfall ist Nullbesatz einem reinen Put&Take-Besatz auf jeden Fall vorzuziehen“, betont Gumpinger.
Sebastian Bremm von der Firma Klejch Fly Fishing & Outdoor schildert seine Beobachtungen über die letzten Jahre folgendermaßen: „An Österreichs Fließgewässern gab und gibt es immer ein Auf und Ab im Fischbestand. Was ich aber schon beobachten kann, ist, dass große Fische seltener werden. Durch den Bau von Kläranlagen – den ich natürlich prinzipiell sehr begrüße – wurde die Nahrung im Gewässer knapper. Dementsprechend werden auch die Fischnährtiere weniger. Habe ich früher einen Ast aus der Warmen Fischa gehoben, war dieser voll mit Bachflohkrebsen. Das ist heute Geschichte.“ Derzeit ortet Bremm einen spürbaren Trend in Richtung ökologisch verträglicher Besatzpolitik. Das sehen leider nicht alle so, aber wünschenswert wäre es jedenfalls!
Was blieb vom großen Strome?
Die Donau ist in Österreich ein derart bedeutendes Fließgewässer, dass wir es hier separat betrachten wollen. Ursprünglich ein Gewässer, dass viel Raum für sich beanspruchte und diesen auch hatte. Die große Donauregulierung gegen Ende des 19. Jahrhunderts zwängte die schöne blaue Donau dann über weite Strecken in ein enges Korsett. Viele Nebenarmsysteme gingen verloren und die Sohle des Hauptstroms tieft sich Jahr für Jahr ein. Die Donau gleicht ja mittlerweile größtenteils mehr einer Wasserstraße als einem natürlichen Fließgewässer-Ökosystem. Dementsprechend reagierten auch die Fischbestände negativ auf die drastische Einengung des Lebensraums. Das ursprüngliche Fischarteninventar ist zwar verglichen mit historischen Befunden noch weitgehend existent. Viele Arten liegen jedoch aktuell nur mehr in rudimentären Beständen vor. Die großen Störarten Hausen, Waxdick und Sternhausen sind durch die Errichtung des Donaukraftwerks „Eisernes Tor“ an der Grenze Serbien/Rumänien gänzlich verschwunden. Die Fische sind bekanntlich Weitwanderer zwischen Süßwasser und Meer und erfuhren durch derart monströse Kraftwerke ohne Fischwanderhilfe eine unüberwindbare Barriere.
Ein gutes Spiegelbild der Veränderungen am Fischbestand der Donau ist die Erwerbsfischerei. Sie ist mittlerweile in Österreich quasi zum Erliegen gekommen. Bis auf einen Berufsfischer im Hafenbereich von Linz ist die Netzfischerei weitestgehend Geschichte. Fischmärkte mit heimischen Donaufischen finden sich auch nur mehr auf historischen Gemälden und Fotos. Die Angelfischerei an der Donau boomt aber nach wie vor und viele Fischer probieren ihr Glück am großen Strome sowie an diversen Ausständen und Augewässern. Schneidertage sind selbst bei Freaks vorprogrammiert. Doch mit Geduld und Ausdauer sowie guter Gewässerkenntnis sind immer wieder bemerkenswerte Fänge möglich. Unter den Raubfischen haben sich Zander und Wels recht gut etabliert und profitieren eventuell auch von der fortschreitenden Gewässererwärmung. Einer Studie zufolge hat sich die durchschnittliche Wassertemperatur der Donau in den letzten 130 Jahren um 1,6 Grad Celsius erhöht. Dieser Trend hat noch kein Ende.
Beim Friedfisch angeln viele gerne und durchaus auch erfolgreich auf Donaukarpfen. Etwa die Hälfte aller Entnahmen in der niederösterreichischen Donau sind nämlich Karpfen. Gefolgt von Barbe und Brachse. Aber auch Rußnase, Nase und andere Weißfischarten werden in kleinem Ausmaß entnommen.
Die Donau erfuhr in den letzten Jahrzehnten viele strukturelle Verbesserungen im Rahmen von EU-Projekten. So wurden etwa in der Wachau oder auch östlich von Wien wieder einige Nebenarme reaktiviert und bieten allen Altersstadien von Fischen wieder attraktive Lebensbedingungen. Erwähnenswert ist auch das Projekt „LIFE Sterlet“.
Ziel dieses Projekts ist es, den Wildbestand des Sterlets zu stärken und wieder gesunde, selbsterhaltende Populationen in verschiedenen Donauabschnitten zu etablieren. Bisher wurden bereits rund 75.000 Jungfische aus der donaugespeisten Aufzuchtanlage ausgewildert. Nähere Infos unter life-sterlet.boku.ac.at
Kunstgewässer voll mit Großfischen
Ganz anders als in natürlichen Gewässern sieht es in künstlichen Gewässern wie Teichen oder Stauseen aus. Die Fischbestände werden in der Regel durch mehrmals im Jahr durchgeführte Besatzmaßnahmen stark gestützt und das Wachstum der Fische durch eifriges Anfüttern noch gehörig angekurbelt. Die Tendenz geht daher insbesondere in den letzten Jahren in Richtung Mega-Karpfen bis hin zu Maximalgewichten von 40 Kilogramm. Wie schon erwähnt spielt hier das Füttern mit HNV-Produkten (High Nutrient Value = hoher Nährwert) eine bedeutende Rolle.
Strukturdefizite vorrangiges Problem
Die Situation der österreichischen Gewässer in Hinblick auf den Fischbestand lässt sich nicht über einen Kamm scheren. Zu unterschiedlich sind die Rahmenbedingungen an den einzelnen Gewässertypen. Wo es jedenfalls am meisten hapert, sind Strukturen und Durchgängigkeit. Aber auch hinsichtlich Arzneimittelwirkstoffen und Hormonen in Fließgewässern dürfte nicht alles eitel Wonne sein. Laut einer vom BMNT beauftragten Studie vom Umweltbundesamt wurden im Rahmen der GZÜV-Untersuchungen in allen 40 Fließgewässerproben zahlreiche Arzneimittelwirkstoffe gefunden. Die Anzahl der nachweisbaren Einzelstoffe lag zwischen 35 und 69 Substanzen. Eine ökotoxikologische Beurteilung der gemessenen Konzentrationen ist vielfach schwierig, da es dazu kaum entsprechende Studien und Grundlagendaten gibt. Von den fünf untersuchten Hormonen war mittels chemischer Analytik lediglich Östron detektierbar, das im biologischen Test östrogene Wirkung zeigt. Inwiefern die „Verweiblichung“ auf Fische und Gewässer wirkt, ist in weiterführenden Untersuchungen zu klären.
Um dem Artensterben in Österreichs Gewässern auf den Grund zu gehen, hat der WWF Österreich mehr als 500 Datensätze offizieller Berichte ausgewertet. Demnach weisen über 90 Prozent der 62 bewerteten Arten keinen günstigen Erhaltungszustand auf. „Der besorgniserregende Rückgang von Fischen, Fröschen, Krebsen, Muscheln oder Libellen in heimischen Flüssen und Seen ist menschengemacht. Wir zerstören, verbauen und verschmutzen ihren Lebensraum“, fasst WWF-Artenschutzexperte Arno Aschauer die Ergebnisse des neuen Reports zusammen.
Entspannt zurücklehnen können wir uns demnach nicht wirklich. Insbesondere unsere Fließgewässer sind von vielen Seiten bedroht und die Fische eindeutig Leidtragende. Dort, wo Restrukturierungsmaßnahmen umgesetzt wurden oder werden, herrscht etwas Licht am Ende des Tunnels. Die Angelfischerei sollte sich jedenfalls ihrer Verantwortung bewusst sein und weiterhin wertvolle Lobbyarbeit für intakte Gewässer betreiben.
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Dieser Beitrag ist im Fischer Trend Report 2020 erschienen.
Aufmacherfoto: BMNT/Rita Newman