Interview mit Andreas Haas, Leiter des Geschäftsfeldes Fischerei bei den Österreichischen Bundesforsten
Wir befinden uns zum Interview in Purkersdorf im Headquarter der Österreichischen Bundesforste und treffen Andreas Haas, den Leiter des Geschäftsfelds Fischerei bei den Bundesforsten.
Wir sprechen heute über die Fischerei bei den Bundesforsten. Die Bundesforste sind der größte Gewässerbewirtschafter in Österreich – 550 Fischereireviere, 70 Seen, 2.000 km Fließgewässer. Andreas, du bist Leiter des Geschäftsfelds Fischerei. Du hast an der Boku studiert, aber ich glaube, du bist nicht gleich nach der Sponsion in dieser Position gelandet. Wie ist denn dein Werdegang?
Andreas Haas: Ich bin an kleinen Gewässern aufgewachsen, habe an der Boku Kulturtechnik Wasserwirtschaft studiert und bin nach dem Studium ins Naturraummanagement bei den Bundesforsten eingestiegen. Dort habe ich viele Projekte mit Wasserbezug gemacht. Seit 2014 leite ich das Geschäftsfeld Fischerei, das wir von einer halben auf zwei Stellen ausgebaut haben.
Du bist auch ein echter Fischer, also Angler. Wo trifft man dich mit welcher Rute und welchem Equipment?
Ich bin vom Blinkerfischer zum Fliegenfischer geworden, manchmal gehe ich auch Renken zupfen. Am häufigsten bin ich an der Mürz, Salza oder im Waldviertel am kleinen Kamp unterwegs.
Ihr verpachtet den Großteil der Reviere an externe Bewirtschafter, das sind dann Vereine oder Einzelpersonen. Kann man sagen, wie das Verhältnis ist und wie das funktioniert?
Über 80% der Reviere sind verpachtet, meist an Vereine. Den Rest bewirtschaften wir selbst. Bei den Pachtverträgen geben wir Inputs und legen gemeinsam mit den Kunden Rahmenbedingungen fest.
Man kann bei euch nicht nur Lizenzen kaufen, sondern auch Fischereirechte pachten. Das Geschäftsfeld Fischerei macht 2,3 Millionen Euro Jahresumsatz, das sind 0,6% vom Gesamtergebnis. Wie entwickelt sich das Geschäftsfeld?
Wir entwickeln uns gut und haben uns breiter aufgestellt. Früher war eigene Bewirtschaftung kein Thema, aber wir sehen, dass wir mit langem Atem nachhaltige Veränderungen umsetzen können, zum Beispiel einen selbstreproduzierenden Bestand aufbauen. Das geht, weil wir nicht auf kurzfristige Ergebnisse angewiesen sind.
Wie schaut Bewirtschaftung bei euch aus? Was steckt eigentlich alles dahinter?
Bewirtschaftung ist komplex, es gibt kein Standardrezept. Jedes Gewässer ist anders, man muss die Gegebenheiten analysieren und auch sehen, was die Nachbarn machen. Wir versuchen, durch Strukturmaßnahmen wie Laichplätze die natürlichen Bestände zu fördern, statt nur zu besetzen.
Was gehört zum Bewirtschaften außerhalb des Besatzes dazu?
Neben rechtlichen Vorgaben ist Bewirtschaftung vor allem Kommunikation mit den Fischern und der Erhalt der natürlichen Bestände. Oft war Besatz das Standardrezept, aber wir setzen zunehmend auf andere Maßnahmen.
Ihr verpachtet auch viele Reviere an Vereine, die dann die Lizenzen vergeben. Kann ein Verein für ein kleines Bächlein beliebig viele Lizenzen verkaufen?
Das ist bundesländerabhängig. In Niederösterreich gibt es Vorgaben vom Landesfischereiverband, wie viele Lizenzen pro Revier ausgegeben werden dürfen. In anderen Bundesländern legen wir gemeinsam mit den Kunden fest, was ökologisch verträglich ist.
Das heißt, ihr macht die ökologische Beurteilung und sagt, wie viele Fische pro Jahr ein Gewässer hergibt?
Genau, wir stimmen uns mit den Kunden ab und berücksichtigen die Erwartungen der Fischer, aber auch die ökologische Tragfähigkeit des Gewässers-
Gibt es von euch Vorgaben zu Angelmethoden oder Revierordnungen?
Wir besprechen das mit unseren Kunden. Manche Angelmethoden können schaden, daher gibt es meist die Übereinkunft auf Schonhaken ohne Widerhaken, um Fische möglichst unverletzt zurückzusetzen. Das geht oft über das Landesgesetz hinaus.
Kannst du ein paar populäre Reviere der Österreichischen Bundesforste aufzählen?
Ich empfehle die Mürz bei Frein und Kapellen, das sind ungeschliffene Diamanten mit selbstreproduzierenden Beständen. Mein Lieblingsbach ist der Rissbach in Tirol, versteckt und mit tollen Fischen, wenn sie mitspielen.
Jetzt zum Thema Besatz: Ihr geht weg von unnötig viel Besatz und setzt auf Wildfischbestände. Kritiker sagen, Prädatoren wie Fischotter und Kormoran fressen alles leer. Wie macht ihr diese Gratwanderung?
Wir haben dazu Projekte gemacht, z.B. an der Traun, wo wir den Fraßdruck der Kormorane untersucht haben, der ist dort sehr hoch. Wir konnten das mit markierten Fischen nachweisen. Das war wichtig, um die Diskussion auf eine fachliche Ebene zu bringen. Kleine Gewässer unter zehn Metern Breite stehen stark unter Druck, vor allem durch Fischotter. Trotzdem sehen wir, dass natürliche Bestände möglich sind, wenn die Rahmenbedingungen stimmen.
Was kann man als Bewirtschafter eines schmalen Baches tun? Muss man trotzdem besetzen?
Auch beim Besatz kann man viel anpassen. Früher hat man kurz vor Saisonbeginn viele Fische eingesetzt, die aber oft nach kurzer Zeit verschwunden waren – gefressen, abgetrieben oder verhungert. Fangfähige Fische einzusetzen ist meist nur Otterfutter. Wenn Besatz nötig ist, sollte man schauen, welche Arten man einsetzt und ob es noch Naturbestände gibt. In manchen Fällen ist Put-and-Take mit Regenbogenforellen sinnvoller.
Gibt es Fälle, wo Besatz doch Sinn macht?
Ja, zum Beispiel nach Chemieunfällen, wenn ganze Bestände ausgerottet werden. Dann betreiben wir einen Wiederaufbau, möglichst mit Mutterfischen aus der Region. Für Artenschutzprojekte ist Besatz auch sinnvoll. Aber man muss immer fragen, warum ein Bestand ausgefallen ist. Sonst kauft man nur teures Otterfutter.
Was wären Alternativen zum Besatz?
Geld nicht in Besatz, sondern in Strukturen investieren. Das österreichische Wasserrechtsgesetz erlaubt Umbauten im Gewässer, solange sie mit Muskelkraft erledigt werden. Mit zehn Leuten kann man an einem halben Tag viel schaffen, z. B. Laichplätze umgraben, Totholz einbringen oder Raubäume ins Wasser hängen. Das schafft Strukturvielfalt und Dynamik.
Kommen die Vereine zu euch und fragen nach Alternativen, oder geht ihr auf sie zu?
Beides. Es gibt immer Leute, die gerne beim Alten bleiben, und andere, die offen für Veränderungen sind.
Wie ist der Zustand der österreichischen Gewässer insgesamt?
Es gibt Gewässer, an denen es bergauf geht, wo Großprojekte Früchte tragen. Insgesamt wird es für Wasserorganismen aber knapp und stressig, z.B. durch Temperaturerhöhungen und wenig Wasser im Sommer. Wo Natur noch sein darf, können sich die Organismen besser anpassen. Wo viel verbaut ist, hilft auch kein Besatz mehr. Bei den Seen ist es eine große Aufgabe, Flächen freizuhalten. Offene Uferbereiche und Schilfgürtel sind ökologisch wertvoll, aber stark zurückgegangen.
Geht es den Seen oder den Flüssen besser?
Meiner Meinung nach geht es den Flüssen tendenziell besser. Die Seen stehen noch stärker im touristischen Fokus. Oft wird die Wasserqualität gefeiert, aber das sagt wenig über den ökologischen Zustand aus. Den wassergebundenen Pflanzen- und Tierarten geht es oft nicht gut.
Zu viel Uferverbauung an großen Seen wirkt sich also wirklich auf den Fischbestand aus?
Ja, weil dort die Laichgründe und Jungfischhabitate sind.
Und Wasserqualität ist nicht der Hauptfaktor für den Fischbestand?
Genau. Wasserqualität ist wichtig, wenn wir schwimmen und dabei Wasser schlucken.
Das Interview als Podcast hören:
Weitere Plattformen zum Hören:
—
Titelfofo: Stefan Tesch