Fisch des Jahres: Doppelmoor-Aal

von Gastautor

Warum selbst gefangener Fisch zu essen moralisch nicht verwerflich ist. Ein Kommentar von Clemens Haipl.

Einfach nur „traurig“, „sprachlos“, „ich bin enttäuscht“ – das waren noch die mildesten Kommentare auf Facebook. Was war geschehen? Ich hatte völlig unschuldig, aber stolz, ein Foto von mir mit dem eben gelandeten Hecht gepostet. 

Jetzt gehe ich einmal davon aus, dass sich die angewiderten Kommentare nicht primär auf mein Äußeres bezogen haben, sondern auf die Tatsache, dass ich es gewagt hatte, das Abendessen für die Familie nicht aus dem Kühlregal zu kaufen, sondern dort zu besorgen, wo es ursprünglich lebt: nämlich in einem See. Und nicht in Karton verpackt zwischen Tiefkühlerbsen und Speiseeis.

Jetzt ist es so: Ich habe großen Respekt vor Vegetariern, Veganern, Laktose-Intoleranten, Glutenverweigerern, etc. – was auch immer. Soll sich doch jeder so ernähren, wie er will. Wieso ereifern sich aber Menschen, die problemlos ein Schnitzel nach dem anderen verschlingen und die Fischstäbchen als Gemüse durchgehen lassen, wenn sie ihre Mahlzeit so sehen, wie sie ursprünglich ausgesehen hat? In dem Fall der frisch gefangene Hecht. Wer sich von Kleeblättern und Chiasamen ernährt, der darf mich gerne einen herzlosen Tiermörder heißen. Wer aber auch nur Rindsuppe löffelt oder am Fischfond schnuppert, der möge bitte in sich gehen und schweigen.

Nein, es macht mir keinen Spaß, einen Fisch abzuschlagen. Ich genieße das nicht und ich entschuldige und bedanke mich jedesmal bei der Schöpfung, dass ich dieses wunderbare Tier essen darf. Ich sehe es aber auch als unumgänglich an, wenn ich mich nicht von Kleeblättern und Chiasamen ernähren will.

Ich behaupte ja sogar, dass ein wildlebender Fisch in seinem natürlichen Habitat ein schöneres Leben gehabt hat – auch wenn ich selbiges abrupt beende – als all die Supermarktfische, die in Alutanks gezüchtet, mit Antibiotika aufgepumpt werden und schlussendlich ein eher unwürdiges Ende auf dem Förderband finden.

Mehr noch: Seit ich angle, esse ich definitiv weniger Fleisch und Fisch. Weil ich mich eben mit der Biologie befasst habe und besseres Verständnis für Tiere aufgebaut habe. Ich habe mehr Hochachtung vor dem Fischfilet, weil mir sehr bewusst ist, dass das kein namenloses Stück Protein aus dem Kühlregal ist, sondern ein Tier, das Verhaltensweisen und Eigenarten hat, das einmal sehr klein war, dann gewachsen ist und das dann getötet wurde, damit wir es essen können. 

Selbiges gilt natürlich auch für Schwein, Rind und Co. Ich muss mich mit dem Tier als solches befassen, sonst könnte ich es nicht fangen. Schon alleine deswegen habe ich mehr Respekt vor dem, was da am Teller liegt, als wenn ich es lustlos in den Einkaufswagen werfe und im Vorbeigehen mit der Bankomatkarte bezahle.

Und: Ist all den „Fischer sind grausam“-Fleischessern bewusst, was ein Stück Fleisch oder Fisch kosten würde, wenn es so aufwachsen und verarbeitet würde, wie die Fische, die wir Angler artgerecht in der Natur fangen? Da gibt es dann keine Forelle um 4,90 Euro beim Diskonter, weil man da locker eine Null hinten dranhängen müsste. Es hat einen triftigen Grund, warum sich die Menschen früher von Brei und Getreide ernährt haben: Weil sie ein gesundes Verhältnis zu Tieren hatten. Weil sie den Schinken von klein auf in ihrem Stall aufwachsen gesehen haben, weil sie das Grillhendl monatelang gefüttert und betreut haben. Weil ihnen bewusst war, was es heißt, Fleisch zu essen.

Ich bin dankbar für die Erfahrungen, die ich durch das Angeln gemacht habe. Für die Erlebnisse in der Natur, für die Änderung meiner Sichtweise auf mein Essverhalten. In dem Sinne: Mahlzeit. 

ZUR PERSON
Clemens Haipl
ist Autor, Musiker und Kabarettist aus Wien. Furore macht(e) er unter anderem als langjähriger Hauptprojektleiter (HPL) bei der FM4-Radiosendung „Projekt X“.
Er fischt gerne in Teichen auf „­gmiadlich“ direkt vom Badesteg aus.


Foto: Peter Draxl